Schon in antiken Schriften finden sich Hinweise auf übermässiges Körpergewicht – doch Jahrtausende lang blieb unklar, was dahintersteckt. Lange galt Übergewicht als Ausdruck von fehlender Disziplin. Wer an Körperfülle litt, wurde belächelt oder ausgegrenzt. Erst im 20. Jahrhundert begann die Medizin, Adipositas als das zu erkennen, was sie wirklich ist: eine komplexe, chronische Erkrankung mit vielfältigen Ursachen1.
Erste wissenschaftliche Meilensteine
Im 19. Jahrhundert entdeckten Forschende erstmals Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel, Hormonen und Körpergewicht. Lange fehlte jedoch das Verständnis für die komplexen Mechanismen im menschlichen Körper. Ein echter Durchbruch gelang schliesslich 1994: Die Entdeckung des Hormons Leptin – eines Botenstoffes, der die Fettreserven des Körpers über das Hungergefühl reguliert –
markierte einen Wendepunkt2.
Weitere Forschungen offenbarten, dass nicht nur Leptin, sondern auch Hormone wie Ghrelin und GLP-1 entscheidend daran beteiligt sind, Hunger und Sättigung zu steuern3. Diese Erkenntnisse veränderten das Verständnis von Adipositas grundlegend: Die Erkrankung wurde nicht länger ausschliesslich als Folge von Willensschwäche angesehen, sondern als medizinisches Problem anerkannt.
Ein neuer Ansatz: Hormonbasierte Therapien
Während früher Diäten und Bewegung die einzigen Therapieoptionen darstellten, revolutionierte die Entdeckung der GLP-1-Rezeptoragonisten die Behandlung von Adipositas. Dabei handelt es sich um Medikamente, die gezielt in die hormonelle Steuerung des Appetits eingreifen. Sie ahmen die Wirkung des natürlichen Darmhormons GLP-1 nach, dass nach dem Essen ausgeschüttet wird und dem Körper signalisiert, dass er satt ist. Dadurch wird das Hungergefühl reduziert und die Nahrungsaufnahme verringert. Ursprünglich zur Blutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetes entwickelt, zeigte sich bald: Diese Wirkstoffe beeinflussen nicht nur den Zuckerstoffwechsel, sondern auch das Essverhalten4.
Durch die Verstärkung des natürlichen Sättigungsgefühls und die Verlangsamung der Magenentleerung konnten Patientinnen und Patienten ihr Gewicht deutlich und nachhaltig reduzieren – ein Durchbruch, der erstmals Hoffnung auf eine medikamentöse Behandlung von Adipositas bot.
Medizinische Fortschritte erreichen den Alltag
In der Schweiz wurden die neuen Therapien schrittweise eingeführt. Erste Wirkstoffe wurden durch Swissmedic bereits 2016 auch zur Gewichtsreduktion zugelassen. Diese Wirkstoffe bewirkten eine durchschnittliche Gewichtsreduktionen von 15–20 % – eine Grössenordnung, die zuvor nur mit chirurgischen Eingriffen erreichbar war4. Zudem reduzieren sie das Risiko für Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder bestimmte Krebsarten erheblich3.
Seit kurzem übernimmt die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz unter strengen Voraussetzungen die Kosten für diese Therapien – ein Meilenstein in der Versorgung5.
Ein Blick in die Zukunft
Doch die Forschung ruht nicht. Neue Kombinationstherapien, etwa GLP-1/GIP-Dual-Agonisten, zeigen in Studien noch bessere Ergebnisse: Patient:innen verlieren bis zu 22 % ihres Körpergewichts6. Künftig könnte die sogenannte Präzisionsmedizin – basierend auf genetischen, metabolischen und individuellen Profilen – die Behandlungen noch gezielter und wirksamer machen3.
Innovationen wie oral verabreichte GLP-1-Therapien oder implantierbare Systeme zur kontinuierlichen Wirkstofffreisetzung sind bereits in Entwicklung.
Gesellschaftlicher Wandel durch medizinische Forschung
Was früher vor allem als persönliches Scheitern wahrgenommen wurde, erfährt heute eine neue Bewertung. Medizinische Fortschritte haben das Bild von Adipositas nachhaltig verändert: Weg vom Stigma, hin zu einer anerkannten chronischen Erkrankung, die behandelbar ist.
Für Millionen Betroffene bedeutet dies nicht nur bessere Gesundheit, sondern auch gesteigerte Lebensqualität und verbesserte gesellschaftliche Teilhabe. Gleichzeitig entlasten erfolgreiche Therapien langfristig auch die Gesundheitssysteme, indem sie Folgeerkrankungen und damit verbundene Kosten reduzieren1. Wir forschen weiter.
1 Bundesamt für Statistik (BFS). Körpergewicht und Gesundheit in der Schweiz. Neuchâtel, 2022.
2 Friedman JM, Halaas JL. Leptin and the regulation of body weight in mammals. Nature. 1998.
3 Müller TD et al. Obesity pharmacotherapy: what we have, what we need, and what’s next. Nat Rev Drug Discov. 2022.
4 Wilding JPH et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med. 2021.
5 Swissmedic. Fachinformation Saxenda® und Wegovy®.
6Jastreboff AM et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. N Engl J Med. 2022.
Lungenkrebs zählt zu den tödlichsten Krebsarten weltweit – oft lange unbemerkt, gesellschaftlich stigmatisiert, emotional belastend. Doch gerade bei dieser Krankheit hat die medizinische Forschung in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Möglich wurden diese Durchbrüche durch gezielte Investitionen in die Onkologie – mit grosser Beteiligung forschender Pharmaunternehmen aus der Schweiz.
Vom Todesurteil zur Hoffnung auf Zeit und Lebensqualität
Lungenkrebs galt bis Mitte des 20. Jahrhunderts als seltene Erkrankung. Erst mit der starken Verbreitung des Tabakkonsums stiegen die Fallzahlen rasant an – zunächst bei Männern, später mit Verzögerung auch bei Frauen1. Heute zählt Lungenkrebs zu den häufigsten Krebserkrankungen weltweit und ist zugleich die krebsbedingte Todesursache Nummer eins. In der Schweiz erkranken jährlich rund 4’900 Menschen neu daran, die meisten von ihnen im höheren Lebensalter2.
Noch bis in die 1990er-Jahre wurde Lungenkrebs meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert – oft mit bereits metastasierten Tumoren und entsprechend schlechter Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate lag lange Zeit unter 10 %3. Dank Fortschritten in der Diagnostik und einer neuen Generation zielgerichteter sowie immunonkologischer Therapien haben sich die Behandlungsmöglichkeiten seither deutlich verbessert. So konnte die 5-Jahres-Überlebensrate konnte Stand 2024 bei Betroffenen auf 30 % gesteigert werden3.
Entscheidend für diesen Wandel ist die Erkenntnis, dass es sich bei Lungenkrebs um keine einheitliche Erkrankung handelt. Die Einteilung in das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) und das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) – letzteres macht etwa 85 % der Fälle aus – bildet heute die Grundlage für die Wahl der Therapie4. Die gezielte Behandlung hat die Prognose für viele Patientinnen und Patienten deutlich verbessert – bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit gegenüber konventionellen Therapien.
Rauchen bleibt der mit Abstand wichtigste Risikofaktor. Weitere Einflüsse wie Luftverschmutzung, berufliche Exposition gegenüber Karzinogenen (z. B. Asbest) sowie genetische Veranlagung spielen eine ergänzende Rolle – insbesondere bei Nichtrauchern oder jüngeren Betroffenen1.
Forschung als Lebensretter: Der Weg zur modernen Therapie
Die klassische Therapie bestand jahrzehntelang aus Operation, Strahlentherapie und unspezifischer Chemotherapie – oft mit erheblichen Nebenwirkungen. Die Trendwende kam mit einem besseren molekularen Verständnis der Tumorbiologie: Forscher entdeckten Mutationen und Wachstumsfaktoren als Ursache für den Krebs – und begannen, gezielte Therapien zu entwickeln. Heute stehen zielgerichtete Therapien (wie EGFR-, ALK- oder ROS1-Inhibitoren) und Immuntherapien zur Verfügung, die das Immunsystem aktivieren, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören5. Ein Meilenstein war die Zulassung der ersten Checkpoint-Inhibitoren, die bei bestimmten Patientengruppen das Überleben signifikant verlängern können – mit deutlich besserer Verträglichkeit als klassische Zytostatika, die im Rahmen von Chemotherapien eingesetzt werden.
Die Schweiz als Innovationsstandort in der Onkologie
Auch wenn Lungenkrebs global erforscht wird, spielt die Schweiz eine zentrale Rolle. Die starke Grundlagenforschung und Vernetzung aller forschenden Akteure ist essenziell für den Erfolg der Schweiz. Internationale Studien werden in hiesigen Kliniken durchgeführt und Pharmaunternehmen aus der ganzen Schweiz sind direkt an der Entwicklung neuer Wirkstoffe beteiligt. Die Schweiz gehört zu den führenden Ländern bei der klinischen Forschung in der Onkologie – mit hoher Studienbeteiligung und schneller Implementierung in die Versorgung6. Mehr als 70 onkologische Wirkstoffe befinden sich derzeit in der Entwicklung gegen Lungenkrebs – viele davon mit Schweizer Beteiligung7. Die Forschung zielt darauf ab, Therapien nicht nur wirksamer, sondern auch verträglicher und gezielter zu gestalten.
Universitäten, Spitäler und die Industrie arbeiten eng zusammen, um Biomarker-basierte Diagnostik und präzisionsmedizinische Therapien voranzutreiben. Ein Beispiel ist die Kombination von Immun- und Chemotherapie, die mittlerweile als Standardbehandlung bei fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom gilt – mit guten Erfolgen bei ausgewählten Patientengruppen5.
Lungenkrebs neu gedacht: Präzision statt Pauschalität
Lungenkrebs galt lange als schwer behandelbare Erkrankung – doch dank moderner Diagnostik und zielgerichteter Therapieansätze verändert sich das Bild zunehmend. Heute steht nicht mehr die Krankheitsart allein im Zentrum, sondern das individuelle Tumorprofil: Welche genetischen Veränderungen treiben das Wachstum an? Welche Immunantwort kann aktiviert werden?
Dieser personalisierte Ansatz – unterstützt durch molekulare Tests – erlaubt gezielte Therapien mit höherer Wirksamkeit und besserer Verträglichkeit. Was früher einheitlich mit Chemotherapie behandelt wurde, wird heute differenziert betrachtet – und zunehmend erfolgreich therapiert.
Gerade in der Schweiz zeigt sich: Wenn klinische Exzellenz, pharmazeutische Forschung und technologische Innovation zusammenkommen, entstehen neue Wege für Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs – Wege, die lebensrettend sein können.
1 Goeckenjan G.: Lungenkrebs – Geschichtliche Entwicklung, derzeitiger Stand und Ausblick – https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0030-1255636.pdf
2 Bundesamt für Statistik (BFS): Gesundheitsstatistik Schweiz
3 Krebsliga Schweiz: Lungenkrebsstatistik 2023 – www.krebsliga.ch
4 American Cancer Society: Lung Cancer Types – www.cancer.org
5 Swiss Cancer Research Foundation: Onkologie im Wandel – Jahresbericht 2022
6Interpharma: Forschung für eine gesündere Zukunft – Bericht 2023
7Pharmaceutical Research and Manufacturers of America (PhRMA): Medicines in Development – Oncology 2023
Erst seit wenigen Jahrzehnten ist der Zusammenhang zwischen Humanen Papillomaviren (HPV) und verschiedenen Krebsarten bekannt. Heute weiss man: Bestimmte HPV-Typen sind hauptverantwortlich für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs sowie weiteren Tumoren im Genital- und Kopf-Hals-Bereich. Der medizinische Fortschritt hat seither grosse Erfolge hervorgebracht: Impfstoffe, neue Screening-Verfahren und innovative Therapieansätze eröffnen wirkungsvolle Möglichkeiten, HPV-Infektionen und ihre gravierenden Folgen zu verhindern oder frühzeitig zu behandeln.
Eine Infektion mit Humanen Papillomaviren (HPV) kann lebensverändernde Folgen haben. Doch die meisten Menschen merken zunächst nichts, da viele HPV-Infektionen spontan abheilen. Manche bleiben jedoch bestehen – und können Jahre später schwere Erkrankungen wie Gebärmutterhalskrebs, Analkrebs oder Rachenkrebs verursachen.
In der Schweiz werden jährlich rund 250 neue Fälle von Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert, etwa 70 Frauen sterben daran1. Weltweit fordert diese Krebsart Hunderttausende Leben2. Dabei liesse sich ein grosser Teil dieser Tragödien verhindern – denn Forschung und Medizin bieten heute wirksame Möglichkeiten: durch Impfung, Früherkennung und innovative Therapien.
Was sind Humane Papillomaviren (HPV)?
HPV ist eine Gruppe von mehr als 200 verschiedenen Virustypen. Etwa 40 davon befallen die Schleimhäute des Genitalbereichs und andere Regionen. Manche Typen verursachen gutartige Genitalwarzen. Andere, sogenannte Hochrisiko-HPV, können zu Krebsentstehung führen2.
HPV wird hauptsächlich durch sexuelle Kontakte übertragen. Schätzungen zufolge infizieren sich über 80 % der sexuell aktiven Menschen mindestens einmal in ihrem Leben mit HPV2. In den meisten Fällen bleibt die Infektion folgenlos – doch bei einer kleinen Gruppe kann sie gravierende Folgen haben.
Von der Bedrohung zur Chance: Meilensteine der HPV-Forschung
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Zusammenhang zwischen HPV und Krebs kaum bekannt. Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankten, hatten oft schlechte Prognosen. Dank bahnbrechender Forschung ist heute klar: Fast alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs sind auf eine chronische Infektion mit Hochrisiko-HPV zurückzuführen2.
Dieser Durchbruch war die Grundlage für die Entwicklung von HPV-Impfstoffen. Diese stehen seit 2006 zur Verfügung und schützen gezielt vor den gefährlichsten Typen des Humanen Papillomavirus (HPV). Neue Generationen dieser Vakzine decken inzwischen noch mehr Virustypen ab und bieten somit einen erweiterten Schutz2.
Auch die Früherkennung hat grosse Fortschritte gemacht. Der klassische PAP-Test wurde durch moderne HPV-Tests ergänzt, die Infektionen deutlich früher nachweisen können – noch bevor sich krankhafte Zellveränderungen oder gar Krebs entwickeln4.
Parallel dazu schreitet auch die Therapieforschung stetig voran: Forschende arbeiten an innovativen Immuntherapien, die gezielt gegen bestehende, HPV-assoziierte Tumoren eingesetzt werden können6.
Die Impfung: Ein Triumph der Prävention
Die erwähnten HPV-Impfstoffe sind heute ein sehr wichtiger Bestandteil der Prävention. Sie verhindern Infektionen mit den gefährlichsten HPV-Typen – und damit auch die meisten Fälle von Gebärmutterhalskrebs3. In der Schweiz wird die Impfung allen Jugendlichen im Alter von 11 bis 14 Jahren empfohlen, sowohl Mädchen als auch Jungen1. Nachholimpfungen sind bis zum 26. Geburtstag möglich. In Regionen mit hoher Impfrate ist die Häufigkeit von Krebsvorstufen bereits um bis zu 88 % gesunken3.
Neben der breiten Anwendung bewährter Impfstoffe schreitet auch die Forschung an neuen, noch gezielteren Ansätzen kontinuierlich voran. Ein beeindruckendes Beispiel für den Fortschritt ist ein Impfstoffkandidat, der spezifisch auf HPV16-positive Tumoren abzielt. Erste Studien zeigen eine deutliche Verbesserung des Überlebens bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Gebärmutterhals- oder Kopf-Hals-Krebs6. Auch die mRNA-Technologie, die durch COVID-19 weltweit bekannt wurde, wird zunehmend für HPV-Impfstoffe und Therapien erforscht3.
Früherkennung: Den Krebs stoppen, bevor er entsteht
Auch wenn eine Infektion bereits erfolgt ist, bietet die Medizin Schutz: Durch regelmässige HPV-Tests und PAP-Abstriche lassen sich Zellveränderungen frühzeitig erkennen. Moderne Tests sind sensibler als klassische Methoden und ermöglichen eine noch gezieltere Vorsorge4. In der Schweiz wird Frauen zwischen 21 und 70 Jahren ein Screening angeboten1. Neuere Empfehlungen diskutieren den Einsatz von HPV-Primärtests – das heisst, Tests, die direkt auf eine Virusinfektion prüfen statt auf Zellveränderungen. Erste Studien deuten darauf hin, dass dies die Erkennungsrate noch weiter verbessern könnte3.
Neue Horizonte: Therapien der Zukunft
Die Forschung endet nicht bei der Prävention. Forschende entwickeln derzeit vielversprechende Therapien zur Behandlung bestehender HPV-assoziierter Krebserkrankungen. Dabei stehen verschiedene innovative Ansätze im Fokus. Immuntherapien zielen darauf ab, das körpereigene Immunsystem gezielt gegen HPV-positive Tumorzellen zu aktivieren6. Ergänzend dazu werden therapeutische Impfstoffe erforscht, die nicht wie herkömmliche Impfstoffe vor einer Infektion schützen, sondern gegen bereits bestehende HPV-Infektionen und die daraus entstandenen Krebserkrankungen wirken. Auch Gentherapien, die kranke Zellen reparieren oder gezielt zerstören können, eröffnen neue Behandlungsmöglichkeiten. Besonders spannend sind personalisierte Immuntherapien, die individuell auf die genetischen und molekularen Eigenschaften eines Tumors zugeschnitten sind. Diese vielversprechenden Ansätze befinden sich derzeit in klinischen Studien und könnten künftig eine bedeutende Rolle in der Krebstherapie spielen6.
Forschung für eine HPV-freie Zukunft in der Schweiz
Die Schweiz engagiert sich stark im Kampf gegen HPV. Nationale Impfprogramme, Aufklärungskampagnen und wissenschaftliche Projekte wie das „Swiss HPV Vaccination and Screening Programme“ zeigen, dass Forschung, Politik und Gesellschaft gemeinsam Fortschritte erzielen können1. Als Heimat zahlreicher innovativer Biotech- und Pharmaunternehmen investiert die Schweiz jährlich Milliarden in die medizinische Forschung. Projekte, die neue Impfstoffe oder Therapieansätze gegen HPV entwickeln, profitieren von diesem dynamischen Umfeld.
1 Bundesamt für Gesundheit (BAG). HPV-Informationen, 2023.
2 WHO. Global strategy to accelerate the elimination of cervical cancer, 2022.
3 Lancet. Population-level impact and herd effects following human papillomavirus vaccination programmes: a systematic review and meta-analysis, 2021.
4 Schweizerische Krebsliga. Gebärmutterhalskrebs und HPV.
5 Gavi, the Vaccine Alliance. HPV Vaccine Programmes, 2023.
6 De Vos van Steenwijk PJ et al. ISA101 and immune-checkpoint blockade: a phase 2 study. Lancet Oncol. 2019.
Migräne war über lange Zeit ein medizinisches Rätsel. Millionen Menschen litten – oft im Stillen, häufig unverstanden. Wer Migräne erlebt, weiss: Sie kommt oft plötzlich, mit voller Wucht. Der Tag beginnt normal – doch ein paar Stunden später hämmert und pocht es im Kopf. Was für Aussenstehende nach einem „starken Kopfschmerz“ klingt, ist für Betroffene eine ernsthafte neurologische Krise.
Ein Blick in die Vergangenheit – von Mythen zu Molekülen
Schon um 3000 v. Chr. beschrieben Schriften migräneartige Zustände. Im alten Europa hielt sich lange die Vorstellung, Migräne entstehe durch „aufsteigende Dünste“ im Gehirn. Im 17. Jahrhundert änderte sich das Denken langsam. Der britische Arzt Thomas Willis erkannte, dass Migräne wohl etwas mit den Blutgefässen zu tun hat – ein entscheidender Schritt hin zu modernen Therapieansätzen.
Eine Krankheit mit gravierenden Folgen
Heute ist unbestritten: Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit. In der Schweiz leiden rund eine Million Menschen darunter – etwa jede siebte bis zehnte Person. Frauen sind dabei dreimal häufiger betroffen als Männer1. Trotz dieser hohen Verbreitung blieb Migräne über Jahrzehnte hinweg ein wissenschaftlich vernachlässigtes Gebiet. Erst die moderne Forschung ermöglichte zentrale Fortschritte im Verständnis der Krankheitsursachen – mit positiven Folgen für die Behandlung und die Lebensqualität der Betroffenen.
Ein Migräneanfall ist kein „normaler“ Kopfschmerz. Er ist Ausdruck einer hochsensiblen Reizverarbeitung im Gehirn. Etwa ein Viertel der Patientinnen und Patienten erlebt zusätzlich eine sogenannte Aura – dabei kommt es zu Sehstörungen, Taubheitsgefühlen, Sprachproblemen oder Schwindel2. Diese Attacken können viele Stunden oder sogar Tage dauern und den Alltag vollständig lahmlegen. Allein in Europa entstehen durch Migräne jährlich wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, vor allem durch Arbeitsausfälle und Produktivitätsverluste3.
Neue Erkenntnisse durch moderne Forschung
Lange Zeit galt Migräne als rein gefässbedingte Störung – eine Sichtweise, die sich in den Standardtherapien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegelte. Entsprechend zielten frühere Medikamente vor allem auf die Verengung von Blutgefässen ab. Einen echten Durchbruch brachte jedoch erst die Entdeckung des sogenannten «trigeminovaskulären Systems» in den 1980er-Jahren. Forschende fanden heraus, dass ein Nervengeflecht im Gehirn in enger Wechselwirkung mit den Blutgefässen der Hirnhäute steht4.
Im Zentrum dieses Netzwerks steht ein Botenstoff. Dieser wird bei einem Migräneanfall freigesetzt und löst eine Entzündungsreaktion im Hirngewebe aus – ein zentraler Mechanismus, der heute als Hauptursache der typischen Schmerzen gilt5. Dieses neue Verständnis veränderte nicht nur die Forschung – es revolutionierte auch die Therapie.
Medikamente mit gezielter Wirkung
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnte erstmals eine medikamentöse Therapie entwickelt werden, die gezielt in die biologischen Abläufe der Migräne eingreift. In den 1990er-Jahren kamen die Triptane auf den Markt – sie hemmen die Freisetzung des Botenstoffs und verengen gleichzeitig die erweiterten Gefässe. Viele Patientinnen und Patienten profitierten von dieser neuen Medikamentengruppe. Dennoch zeigte sich, dass Triptane nicht für alle geeignet sind – insbesondere bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen Einschränkungen6.
Deshalb suchten Forschende nach alternativen Wirkungsmechanismen – und fanden die sogenannten Gepants. Diese blockieren Rezeptoren direkt und wirken entzündungshemmend, ohne die gefässverengende Komponente. Sie gelten als gut verträglich und eignen sich auch zur Vorbeugung7.
Einen weiteren Meilenstein markiert die Antikörpertherapie. Sie ermöglicht eine langfristige Reduktion der Anfallshäufigkeit – oft reicht eine Injektion pro Monat. In klinischen Studien zeigten sich signifikante Verbesserungen in der Lebensqualität von Betroffenen mit chronischer Migräne8.
Innovationen am Horizont – was die Zukunft bringt
Die Forschung zu Migräne steht nicht still. Inzwischen wird an personalisierten Therapieansätzen gearbeitet, die auf genetischen Merkmalen der einzelnen Patienten und Patientinnen abgestimmt sind. Ziel ist es, nicht nur besser zu behandeln, sondern passgenau zu therapieren9. Auch neuartige nichtmedikamentöse Ansätze befinden sich in Entwicklung. Dazu zählen beispielsweise Therapien, bei denen elektrische oder magnetische Impulse gezielt Hirnregionen beeinflussen, die an der Entstehung von Migräne beteiligt sind10.
Sogar die Farbe von Licht wird erforscht: Erste klinische Studien deuten darauf hin, dass grünes Licht bei einem Teil der Betroffenen die Intensität von Migräneschmerzen reduzieren kann11. Auch digitale Technologien halten Einzug in die Therapie – mit Migräne-Apps, die Attacken dokumentieren, Verlaufsmuster analysieren und damit helfen, individuelle Auslöser besser zu erkennen und Therapien anzupassen12.
Forschung verändert Leben
Die Geschichte der Migräne ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie medizinische Forschung zu echtem Fortschritt führt. Was über Jahrhunderte ein Rätsel war, wird heute verstanden – und wirksam behandelt. Millionen Menschen profitieren von gezielten, modernen Medikamenten, besseren Diagnoseverfahren und einem neuen medizinischen Verständnis der Erkrankung. Dieser Wandel ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Interpharma setzt sich dafür ein, dass dieser Weg weitergeht. Denn Fortschritt braucht wissenschaftliche Neugier und eine klare Vision: Migräne wirksam zu behandeln. Wir forschen weiter.
1 Bundesamt für Gesundheit (BAG). Kopfschmerz- und Migränestatistik Schweiz.
2 Ashina M. Migraine. New England Journal of Medicine. 2020;383(19):1866–76.
3 Lanteri-Minet M et al. Economic impact of migraine. Cephalalgia. 2011;31(8):867–79.
4 Goadsby PJ et al. Pathophysiology of migraine: a disorder of sensory processing. Physiological Reviews. 2017;97(2):553–622.
5 Edvinsson L. The CGRP pathway in migraine as a viable target for therapies. Headache. 2018;58(S1):33–47.
6 Tfelt-Hansen P, Olesen J. Taking the negative view of current migraine treatments. Headache. 2012;52(7):1159–65.
7 Dodick DW et al. Ubrogepant for the acute treatment of migraine. New England Journal of Medicine. 2019;381(23):2230–41.
8 Tepper S et al. Efficacy and safety of erenumab for preventive treatment of chronic migraine. Lancet Neurology. 2017;16(6):425–34.
9 Borsook D et al. Personalized medicine for migraine: an evolving landscape. Headache. 2021;61(5):725–35.
10 Chou DE et al. Noninvasive neuromodulation for migraine. JAMA Neurology. 2017;74(5):571–6.
11 Noseda R et al. A human fMRI study on green light and photophobia. Brain. 2016;139(Pt 7):1971–80.
12 Schwedt TJ et al. Use of smartphone technology in the management of migraine. Headache. 2019;59(6):802–16.
Eine frühe Diagnose und der rasche Einsatz von geeigneten Therapien sind der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA). Die weit verbreitete entzündliche Gelenkerkrankung trat schon vor tausenden von Jahren erstmals auf – Durchbrüche konnten jedoch erst im 20. Jahrhundert erzielt werden. Mittlerweile kann die Erkrankung bei immer mehr Betroffenen so gut kontrolliert werden, dass diese nahezu beschwerdefrei leben.
Jahrtausende alte Knochenfunde und berühmte Patienten – die Geschichte der RA
Knochenfunde belegen, dass die rheumatoide Arthritis (RA) schon 4500 vor Christus erstmals aufgetreten ist. Danach ist in Schriften immer wieder von Erkrankungen die Rede, deren Symptome zur RA passen. Ein berühmter Patient war im 17. Jahrhundert der flämische Maler Rubens, der in seinen späteren Werken häufig rheumagezeichnete Hände darstellte. 1859 führte der britische Arzt Alfred Baring Garrod schliesslich erstmals den Begriff «rheumatoide Arthritis» ein. Die Behandlungsmethoden beschränkten sich in jener Zeit auf Hausmittel wie Blutegeltherapien. Später wurden den Patienten opiat- und alkoholhaltige Mittel verabreicht, um eine gewisse Linderung zu erzielen.
Anfang des 20. Jahrhunderts ermöglichten Fortschritte in der Radiologie eine präzisere Diagnose von RA und die Abgrenzung von verwandten Erkrankungen wie Arthrose. So begann die moderne Ära der RA-Betrachtungsweise – 1941 erkannte die «American Rheumatism Association» die RA dann als eigenständige Erkrankung an.
Wie bei vielen Erkrankungen wurde ab den 1920er-Jahren auch bei RA Gold eingesetzt. Die Goldsalz-Injektionen, welche erst nach einem halben Jahr eine Wirkung entfalten konnten, gelten als erste Generation von Basismedikamenten gegen RA. Die Basismedikamente werden auch DMARDs genannt (Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs = krankheitsmodifizierende anti-rheumatische Medikamente). Diese wirken entzündungshemmend und können so längerfristig eingesetzt werden, wenn bei Betroffenen konstant Entzündungen auftreten.
Das Jahr 1948 gilt als «Schlüsseljahr» der Rheumatologie im 20. Jahrhundert: In den USA wurde durch Philipp S. Hench erstmals Kortison zur Behandlung der RA eingesetzt. Dieser Einsatz veränderte nicht nur die Rheumatologie, sondern die gesamte Medizin und verbesserte somit das Leben unzähliger Patientinnen und Patienten. In den 1950er-Jahren wurden schliesslich verschiedene synthetisch hergestellte DMARDs zugelassen, beispielsweise das ursprünglich als Malariamittel verwendete Hydroxychloroquin.
Durchbrüche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Die 60er- und 70er-Jahre zeichneten sich vor allem durch diagnostische Neuentwicklungen aus, welche eine differenzierte Einordnung verschiedener Rheuma-Erkrankungen erlaubten.
In den 80er- und 90er-Jahren folgten weitere Meilensteine in der Behandlung der RA. Hervorzuheben ist dabei unter anderem die Entwicklung von Methotrexat. Der zu den synthetisch hergestellten DMARDs gehörende Wirkstoff wurde dank seiner zielgerichteten entzündungshemmenden Wirkung in den 1980er-Jahren rasch auf breiter Basis eingesetzt und läutete eine völlig neue Ära der RA-Behandlung ein.
Ende des 20. Jahrhunderts stand die Entwicklung der Biologika im Fokus. Diese Wirkstoffe greifen in den Entzündungsprozess ein, indem sie beispielsweise Eiweisse, welche Entzündungssignale übermitteln, neutralisieren. Zu den Biologika gehören unter anderem die TNF-Alpha-Inhibitoren. Die entsprechenden Medikamente zeichnen sich durch grosse Wirksamkeit aus – bei den Patientinnen und Patienten konnten damit bessere Ansprechraten erzielt werden als jemals zuvor. In den darauffolgenden Jahren kam es im Bereich der Biologika zu diversen Neu- und Weiterentwicklungen. Für immer mehr Patientinnen und Patienten bedeuteten diese Durchbrüche die Hoffnung auf ein langsameres Fortschreiten der Erkrankung oder gar auf eine Remission (darunter versteht man einen beschwerdearmen, nach bestimmten Kriterien festgelegten Zustand).
Die rasante Entwicklung setzte sich auch in den letzten beiden Jahrzehnten fort. Zum einen wurden neue Wirkmechanismen identifiziert und entsprechende Präparate auf den Markt gebracht (z.B. Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper und Anti-CD20-Antikörper im Bereich der Biologika sowie JAK-Inhibitoren aus der Gruppe der synthetischen Basismedikamente). Zum anderen konnte dank neuer Erkenntnisse auch die Strategie bei der Anwendung von Kortisonpräparaten angepasst werden. Diese spielen nach wie vor eine wichtige Rolle, können aber mittlerweile häufig geringer dosiert werden.1
Dank der durch anhaltende Forschung und Entwicklung erzielten Durchbrüche steht heute eine breite Palette an Medikamenten zur Verfügung. Dies ist von enormer Wichtigkeit, da die RA bei jeder Patientin und jedem Patienten anders verläuft und die geeignete Therapie somit individuell festgelegt werden muss. Zum Einsatz kommen bei der Behandlung der RA heute klassische Schmerzmedikamente (Aanalgetika), nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAR) zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sowie Kortisonpräparate mit einem stark entzündungshemmenden Effekt. Die Medikamente aus diesen Gruppen können den Betroffenen zwar grosse Erleichterung bringen, haben aber keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Nicht schmerzlindernd, aber dafür entzündungshemmend wirken hingegen die DMARDs in unterschiedlichsten Formen (konventionell oder zielgerichtet synthetisch hergestellt oder in Form von Biologika).2
Wenn RA-Patientinnen und -Patienten hingegen nicht nach heutigen Erkenntnissen optimal medikamentös behandelt werden, weisen sie eine geringere Lebenserwartung auf, da eine unbehandelte RA auch auf Organe übergreifen kann.3 Dank der modernen RA-Therapie ist es jedoch gelungen, die Anzahl der RA-bedingten Todesfälle kontinuierlich zu senken:

RA-bedingte Todesfälle bei 50-69-jährigen Frauen in der Schweiz (Quelle: Global Burden of Disease (GBD), https://vizhub.healthdata.org/gbd-compare/#

RA-bedingte Todesfälle bei 70+ jährigen Frauen in der Schweiz (Quelle: Global Burden of Disease (GBD)) https://vizhub.healthdata.org/gbd-compare/#
Präzisionsmedizin: rasche Diagnose und Minimierung der Krankheitslast
Die medizinischen Durchbrüche der vergangenen Jahre haben für die betroffenen Patientinnen und Patienten enorme Erleichterungen gebracht und die Krankheitslast massiv verringert. So zeigen beispielsweise Daten von knapp 40’000 Patientinnen und Patienten aus Deutschland einen signifikanten Rückgang der mittleren Krankheitslast. Der Anteil der Betroffenen mit einer niedrigen Krankheitsaktivität war im betrachteten Zeitraum auf beinahe 50 % angestiegen. Sogar auf sozioökonomische Faktoren hat die optimierte Kontrolle der Erkrankung einen Einfluss: Die Zahl der Krankheitstage war am Ende der untersuchten Zeitspanne fast dreimal geringer als zu Beginn.4
Es wird geschätzt, dass theoretisch gar etwa 70% aller RA-Betroffenen im ersten Jahr nach der Diagnose eine Remission erreichen könnten. Um diesen hohen Wert zu erreichen, sind eine frühzeitige Diagnose und der Einsatz der richtigen Therapie essenziell.5 Die Verfügbarkeit von vielen verschiedenen Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen erlaubt es, die Therapie bei Bedarf anzupassen, bis das Therapieziel erreicht ist. Mit einer Kombination aus den richtigen Medikamenten und unterstützenden Massnahmen wie Physiotherapie können die Beschwerden minimiert und die Lebensqualität entsprechend aufrechterhalten werden.
Die Präzisionsmedizin dürfte in den kommenden Jahren auch für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis weitere Fortschritte bringen. Mittels genetischer Analysen von Gelenkgewebe wird beispielsweise innert kurzer Zeit vorausgesagt werden können, auf welche Medikamente eine Patientin oder ein Patient anspricht. Bald werden Betroffene wohl nicht mehr anhand von klinischen Parametern in unterschiedliche Gruppen eingeteilt, um die Wirksamkeit von Medikamenten vorherzusagen. Stattdessen werden die individuellen genetischen Signaturen die Entwicklung massgeschneiderter Behandlungsschemata ermöglichen.6 Folgeschäden einer fortschreitenden RA-Erkrankung könnten somit bald Geschichte sein.
1 Manger B. et al. (2020): 80 Meilensteine der Rheumatologie aus 80 Jahren. I-IV. Z Rheumatol.
2 Rheumaliga Schweiz (2021): Medikamente bei entzündlichem Rheuma.
3 Internisten im Netz (2017): Rheumatoide Arthritis: Prognose & Verlauf. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/rheumatoide-arthritis/prognose-verlauf/#:~:text=Patienten%20mit%20rheumatoider%20Arthritis%2C%20die,um%203%2D13%20Jahre%20geringer
4 Fiehn, C. (2011): Rheumatoide Arthritis – Meilensteine für Klassifikation und Therapie. Dtsch Med Wochenschr 136: 203–205.
5 Deutsche Rheuma-Liga (2021): Rheumatische Erkrankungen: Zeit ist Remission. https://www.rheuma-liga.de/aktuelles/detailansicht/rheumatische-erkrankungen-zeit-ist-remission#:~:text=Theoretisch%20k%C3%B6nnten%20bis%20zu%2070,der%20Diagnose%20eine%20Remission%20erreichen
6 Northwestern University (2018): Rheumatoid arthritis meets precision medizine https://news.northwestern.edu/stories/2018/march/rheumatoid-arthritis-meets-precision-medicine/
In den 1980er Jahren erstmals nachgewiesen, entwickelte sich die Krankheit AIDS und die ihr zu Grunde liegende HIV-Infektion zu einer Pandemie, der bis heute schätzungsweise 39 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Seit 1996, als dank der Pharmaforschung Kombinationsmedikamente auf den Markt gebracht werden konnten, lässt sich die Infektion für viele Patientinnen und Patienten von einer tödlichen in eine chronische Erkrankung umwandeln, was ihnen ein weitgehend normales Leben ermöglicht.
Bis vor 100 Jahren zurückverfolgt
Das Immundefizit-Virus ist vermutlich bereits vor 100 Jahren das erste Mal aufgetreten, als es von einem toten Tier über eine Schnittwunde auf einen Jäger übersprang und sich so zum humanen Immundefizit-Virus «HIV» entwickelte. Es wird angenommen, dass sich das Virus in den 1960er-Jahren von Afrika über Haiti in die westliche Welt ausbreitete. Die schnelle Verbreitung des Virus in der Homosexuellen-Szene führte in den 1970er-Jahren schliesslich zur Entdeckung der Krankheit, die deshalb anfangs als «Gay-related immune deficiency» (GRID) bezeichnet wurde. Das HI-Virus mutiert so schnell, dass im Körper eines HIV-positiven Menschen jeden Tag mehr unterschiedliche Virus-Varianten entstehen als Grippevarianten weltweit. Daher blieb die Forschung nach einem Impfstoff, die seit den 1980er-Jahren betrieben wird, bisher erfolglos. Die Krankheit gilt daher bis heute als unheilbar – aber durch die Fortschritte in der Therapie ist HIV kein Todesurteil mehr.
Die Entwicklung der HIV-Therapie: diverse Durchbrüche in kürzester Zeit
1981 wurde HIV in den USA erstmals klinisch beobachtet. Seit 1984 gibt es die Möglichkeit, mithilfe eines Antikörpertests herauszufinden, ob eine Person das HI-Virus in sich trägt und seit 1986 besteht die Pflicht, Blutprodukte auf HIV-Antikörper zu testen. Im Jahr 1985 wies der japanische Virologe Hiroaki Mitsuya die Wirksamkeit der ursprünglich als Krebsmedikament entwickelten Substanz Azidothymidin (AZT) nach, welche schliesslich zwei Jahre später als erstes HIV-Medikament in den USA zugelassen wurde. Durch diesen Meilenstein in der Behandlung der HIV-Infektion konnte erstmals der Vermehrung von HIV im Körper entgegengewirkt und die Lebenserwartung von Patienten erhöht werden. Ende der 1980er-Jahren durften zwei weitere Medikamente (Didanosine und Zalcitabine) noch vor deren offiziellen Zulassung verschrieben werden. Im Jahre 1995 wurde in den USA dann der erste Protease-Hemmer als neuartiger Therapieansatz zugelassen. Mitte der 1990er-Jahren zeigten Studien schliesslich, dass eine kombinierte Behandlung mit zwei Wirkstoffen besser funktioniert als eine Monotherapie.1
Der grosse Durchbruch in der HIV-Behandlung erfolgte mit der antiretroviralen Kombinationstherapie, bei der mehrere Medikamente kombiniert werden. Diese Therapieform hat zum Ziel, das HI-Virus dauerhaft in seiner Vermehrung zu hemmen. Kombinations-Therapien bleiben auch langfristig wirksam, da es den Viren so gut wie nie gelingt, gegen mehrere Medikamente gleichzeitig Resistenzmutationen zu entwickeln.
Die medikamentöse Behandlung von Menschen mit einer HIV-Infektion verringert die Viruslast und erhält die Funktion des Immunsystems aufrecht. Wenn die Virenlast einer HIV-positiven Person nicht mehr nachweisbar ist, ist die Behandlung so erfolgreich, dass die Patienten auch nicht mehr ansteckend sind.2
Bedeutete vor 1996 ein positiver HIV-Test noch ein sicheres Todesurteil, ist eine Infektion mit HIV mittlerweile in den meisten Fällen in eine chronische Krankheit umgewandelt worden.3 Der Behandlungsdurchbruch wird auch durch Zahlen eindrücklich untermauert:

Todesfälle aufgrund von HIV/Aids in der Schweiz. (Quelle: Global Burden of Disease (GBD), https://vizhub.healthdata.org/gbd-compare/#
Während 1995 in der Schweiz noch über 500 HIV-bedingte Todesfälle verzeichnet wurden, lag die Anzahl der Verstorbenen in den letzten Jahren jeweils nur noch bei ungefähr 30. Die Betroffenen können ein langes Leben führen, was aber auch bedeutet, ein Leben lang auf Medikamente angewiesen zu sein, da das Virus nach der Infektion nicht mehr aus dem Körper eliminiert werden kann. Da die vorschriftsgemässe Einnahme der Medikamente eine hohe Disziplin der betroffenen Personen erfordert, hat die Forschung auch hier grosse Fortschritte erreicht, um die Präparat-Einnahme für Patienten zu erleichtern. Musste man in den 1990er-Jahren noch eine Handvoll Medikamente zu bestimmten, genau definierten Zeiten einnehmen, genügt heute oft die Einnahme von nur einer Tablette täglich. Moderne Medikamente rufen bei vielen Patienten zudem weniger Nebenwirkungen hervor als ältere, was zusätzlich zur Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen beiträgt.
Infektionsvermeidung, Wirkstoffe als Prophylaxe und Blick in die Zukunft
Heutzutage kann nach einer Exposition mit dem Virus mittels Postexpositionsprophylaxe (PEP) die «Einnistung» des Virus verhindert werden, sodass die exponierte Person HIV-negativ bleibt. Dazu muss am besten innerhalb von 24 Stunden und nicht später als 72 Stunden nach dem Kontakt eine PEP durch einen Arzt verschrieben werden. Die Therapie ist über eine Dauer von vier Wochen weiterzuführen; es werden dabei reguläre HIV-Medikamente eingenommen.
Seit 2016 ist in Europa zudem eine Kombinationstherapie in Tablettenform zur HIV-Prävention zugelassen. Seitdem dürfen Ärzte gesunden Erwachsenen mit erhöhtem Infektionsrisiko die Präparate als Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) verordnen. Die Verschreibung von Arzneimittel als PrEP gilt als Teil einer Gesamtstrategie zur Prävention einer HIV-Infektion, welche zudem regelmässige Arztbesuche und Kontrolluntersuchungen in Verbindung mit Safer-Sex-Praktiken beinhaltet.
Gegenwärtig stehen über 30 Arzneimittel in acht verschiedenen Klassen von Medikamenten zur Bekämpfung von HIV zur Verfügung. Auch wenn wir heute noch über kein Medikament zur vollständigen Heilung von HIV-Infektionen verfügen, hat das Beispiel HIV exemplarisch gezeigt, wie sich Therapien durch wissenschaftliche Forschung entwickeln und ständig verbessern lassen. Es besteht die Hoffnung, dass auch in den nächsten Jahren weiter rasante Fortschritte erzielt und HIV somit bald geheilt werden kann.
1 Magazin HIV (2011): 30 Jahre HIV – Chronik. https://magazin.hiv/magazin/gesellschaft-kultur/30-jahre-hiv-chronik-1981-1986/
2 Deutsche Aidshilfe (2022): HIV-Behandlung. https://www.aidshilfe.de/hiv-behandlung#:~:text=Bei%20einer%20HIV%2DBehandlung%20werden,die%20Bildung%20von%20Resistenzen%20verhindert
3 Universitätsspital Zürich (2022): HIV-Infektion Behandlung. https://www.usz.ch/fachbereich/infektiologie/angebot/hiv-infektion-behandlung/