Wir forschen weiter.

Herzinfarkt – vom Schicksal zur kontrollierbaren Krankheit.Herzinfarkt – vom Schicksal zur kontrollierbaren Krankheit.

Der rasante Fortschritt bei den Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Sterblichkeitsrate nach einem Herzinfarkt in den letzten 30 Jahren deutlich zurückgegangen ist. Durch rasches Handeln und optimale Medikation können heute viele Betroffene von einstigen medizinischen Durchbrüchen profitieren und die Folgen von Herzinfarkten erheblich gemindert werden.

Wenige Therapieoptionen bis in die 1970er-Jahre

Johann Wolfgang von Goethe starb 1832 zweifellos den Herztod: kalter Schweiss, Blutdruckabfall mit kalten Gliedern, Rhythmusstörungen des Herzens und schliesslich Herzversagen sowie Atemnot – die klassischen Symptome. Goethes Leibarzt kannte weder die Ursache des Leidens noch hatte er Mittel zur Behandlung.1 Dies ist heute durch intensive medizinische Forschung in vielerlei Hinsicht anders.

Insbesondere in den letzten Jahrzehnten fand in der Diagnostik und Behandlung des Herzinfarktes ein enormer Fortschritt statt. Noch in den 1970-Jahren standen den Ärztinnen und Ärzten kaum wirksame Therapien zur Verfügung. Teilweise wurde damals schon Heparin verabreicht, das dank seiner blutverdünnenden Wirkung weitere Gefässverschlüsse verhindern kann. Nach einem Herzinfarkt verordnete man den Betroffenen zudem Bettruhe, oft wochenlang.1 Heute wird dies komplett anders gehandhabt: Nach einem unkomplizierten Infarkt dürfen Patienten teilweise bereits am ersten oder zweiten Tag aufstehen und werden nach ein bis zwei Wochen aus dem Spital entlassen. Möglich gemacht hat dies vor allem die breite Palette an Medikamenten, die mittlerweile nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden können.2

Wichtige Durchbrüche, die heute Standard sind

Seit Anfang der 1980er-Jahren werden den Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt Acetylsalicylsäure und Betablocker verabreicht. Die Acetylsalicylsäure verhindert das Verklumpen der Blutplättchen und somit die Bildung von neuen Blutgerinnseln. Auch Heparin kann zu diesem Zweck nach wie vor eingesetzt werden. Betablocker senken den Blutdruck, verlangsamen den Herzschlag und entlasten das Herz. Schmerzstillende und beruhigende Medikamente kommen häufig ergänzend zum Einsatz.2

Mittlerweile gehören auch akute Interventionen mit Ballonkathetern und Stents zum Behandlungsschema nach einem Herzinfarkt. Die Ära dieser sogenannten «perkutanen Koronarinterventionen» begann 1977, als erstmals ein Ballonkatheter eingesetzt wurde. Die ersten Stents folgen schliesslich Ende der 1980er-Jahre. Ziel dieser Eingriffe ist es, eine Wiedereröffnung des verschlossenen Gefässes zu erreichen. Der Stent dient dabei als «Stütze» für das Gefäss an der verengten Stelle. Obwohl die Einführung der Stents ein weiterer grosser Fortschritt war, zeigte sich in den Jahren nach der Einführung, dass Blutplättchen an dessen Oberfläche leicht anhaften können, was wiederum zu Blutgerinnseln führen konnte. Daher werden seit den 1990er-Jahren nach Stent-Eingriffen verschiedene Medikamente verabreicht, meist die bereits beschriebene Acetylsalicylsäure sowie Clopidogrel (Medikament zur Verhinderung einer Aggregation von Blutplättchen). Heute gibt es auch medikamentenbeschichtete Stents (DES = Drug Eluting Stents).2

Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte hat sich zudem die Thrombolysetherapie zu einem festen Bestandteil in der Akutbehandlung des Herzinfarkts entwickelt – insbesondere, wenn eine Intervention mit Ballonkathetern und Stents nicht möglich ist.3 Bei der Thrombolysetherapie wird versucht, mit intravenös verabreichten Medikamenten das Blutgerinnsel aufzulösen. So soll die Durchblutung des Gefässes wiederhergestellt werden.

Rehabilitation nach einem akuten Herzinfarkt und Behandlung von Risikofaktoren

Nach einer erfolgreichen Akutbehandlung werden Patientinnen und Patienten noch einige Tage auf der Intensivstation überwacht. Bei einem unkomplizierten Verlauf beträgt der Spitalaufenthalt heute nur wenige Tage. Um die Wiedereingliederung ins Alltags- und Berufsleben zu erleichtern, wird eine Anschlussbehandlung in einer Rehabilitationsklinik oder einem ambulanten Therapiezentrum durchgeführt. Der Verlauf nach einem Herzinfarkt kann jedoch trotz modernster Therapie weiter durch kardiovaskuläre Ereignisse gekennzeichnet sein. Eine medikamentöse Therapie und eine engmaschige Betreuung sind daher von grosser Bedeutung.3 Viele der nach einem Herzinfarkt verschriebenen Medikamente müssen dauerhaft eingenommen werden. Dazu zählen Betablocker, Acetylsalicylsäure sowie Cholesterinsenker (Statine). Auch ACE-Hemmer, welche die Blutgefässe erweitern und den Blutdruck senken, gehören zu den Standardpräparaten.3

Neben Meilensteinen in der Therapie von akuten Herzinfarkten haben auch die verbesserte Diagnose von Krankheiten wie Bluthochdruck oder erhöhtem Cholesterinspiegel sowie entsprechende medikamentöse Behandlungsoptionen zu Fortschritten in der Bekämpfung des Herzinfarktes geführt. So werden beispielsweise seit Mitte der 1960er-Jahre Betablocker gegen Bluthochdruck eingesetzt. Seit Ende der 1980er-Jahre werden Statine zur Senkung des Cholesterinspiegels verabreicht. Damit wird im Idealfall verhindert, dass ein Herzinfarkt überhaupt auftritt.4

Die Fortschritte in der Therapie werden von Zahlen eindrücklich untermauert. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt für die Schweiz, dass die Sterberate bei allen Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 2010 bis 2019 massiv zurückgegangen ist: über 30 Prozent bei den Frauen sowie über 40 Prozent bei den Männern.4 Die grössten Fortschritte wurden dabei bei der Behandlung des Herzinfarktes erzielt. Auch Zahlen aus Deutschland unterstreichen diese Entwicklung.

Rückgang der Sterblichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Quelle: Meinertz T. et al. (2018). Public Health Forum 26(3): 216-219.)

Neben den verbesserten medikamentösen Therapien haben auch die Entwicklung der Stents sowie ganz allgemein verbesserte Techniken (z.B. beim Operieren) dafür gesorgt, dass ein Herzinfarkt heute nicht mehr zwingend ein Todesurteil ist. Die Forschung arbeitet weiter intensiv an Innovationen – sowohl in der Vorbeugung als auch in der Behandlung von Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es bleibt zu hoffen, dass Therapien wie die kürzlich angekündigte «Spritze gegen Herzinfarkt» bald Realität werden.5

1 Lüscher, T.F. et al (2004): Der Herzinfarkt. Geschichte der kardiovaskulären Medizin. Kardiovaskuläre Medizin 7: 386–391.
2 Deximed (2022): Perkutane Koronarintervention, PCI. https://deximed.de/home/klinische-themen/herz-gefaesse-kreislauf/patienteninformationen/behandlungen/perkutane-koronarintervention
3 Internisten im Netz (2022): Herzinfarkt: Therapie. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/herzinfarkt/therapie.html
4 SRF (2022): Weniger Tote wegen Herzinfarkt & Co. https://www.srf.ch/wissen/gesundheit/erfreuliche-entwicklung-weniger-tote-wegen-herzinfarkt-co
5 Deutsche Herzstiftung: „Spritze gegen Herzinfarkt“: Wie sieht Kardiologe neuen Cholesterinsenker? – Pressemeldung. https://www.herzstiftung.de/service-und-aktuelles/presse/pressemitteilungen/spritze-herzinfarkt

Das könnte sie auch noch interessieren:

Diabetes – vom Todesurteil zur behandelbaren Krankheit.

Artikel lesen

Hepatitis – eine unterschätzte Krankheit mit hoher Dunkelziffer.

Artikel lesen

Brustkrebs –
von der Hoffnung zur Heilung.

Artikel lesen

Herzinfarkt – vom Schicksal zur kontrollierbaren Krankheit.

Artikel lesen

HIV – dank Medikamenten Rückkehr in ein weitgehend normales Leben.

Artikel lesen

Rheumatoide Arthritis – nahezu beschwerdefrei dank moderner Therapien.

Artikel lesen