Rheumatoide Arthritis – nahezu beschwerdefrei dank moderner Therapien.
Schon in antiken Schriften finden sich Hinweise auf übermässiges Körpergewicht – doch Jahrtausende lang blieb unklar, was dahintersteckt. Lange galt Übergewicht als Ausdruck von fehlender Disziplin. Wer an Körperfülle litt, wurde belächelt oder ausgegrenzt. Erst im 20. Jahrhundert begann die Medizin, Adipositas als das zu erkennen, was sie wirklich ist: eine komplexe, chronische Erkrankung mit vielfältigen Ursachen1.
Erste wissenschaftliche Meilensteine
Im 19. Jahrhundert entdeckten Forschende erstmals Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel, Hormonen und Körpergewicht. Lange fehlte jedoch das Verständnis für die komplexen Mechanismen im menschlichen Körper. Ein echter Durchbruch gelang schliesslich 1994: Die Entdeckung des Hormons Leptin – eines Botenstoffes, der die Fettreserven des Körpers über das Hungergefühl reguliert –
markierte einen Wendepunkt2.
Weitere Forschungen offenbarten, dass nicht nur Leptin, sondern auch Hormone wie Ghrelin und GLP-1 entscheidend daran beteiligt sind, Hunger und Sättigung zu steuern3. Diese Erkenntnisse veränderten das Verständnis von Adipositas grundlegend: Die Erkrankung wurde nicht länger ausschliesslich als Folge von Willensschwäche angesehen, sondern als medizinisches Problem anerkannt.
Ein neuer Ansatz: Hormonbasierte Therapien
Während früher Diäten und Bewegung die einzigen Therapieoptionen darstellten, revolutionierte die Entdeckung der GLP-1-Rezeptoragonisten die Behandlung von Adipositas. Dabei handelt es sich um Medikamente, die gezielt in die hormonelle Steuerung des Appetits eingreifen. Sie ahmen die Wirkung des natürlichen Darmhormons GLP-1 nach, dass nach dem Essen ausgeschüttet wird und dem Körper signalisiert, dass er satt ist. Dadurch wird das Hungergefühl reduziert und die Nahrungsaufnahme verringert. Ursprünglich zur Blutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetes entwickelt, zeigte sich bald: Diese Wirkstoffe beeinflussen nicht nur den Zuckerstoffwechsel, sondern auch das Essverhalten4.
Durch die Verstärkung des natürlichen Sättigungsgefühls und die Verlangsamung der Magenentleerung konnten Patientinnen und Patienten ihr Gewicht deutlich und nachhaltig reduzieren – ein Durchbruch, der erstmals Hoffnung auf eine medikamentöse Behandlung von Adipositas bot.
Medizinische Fortschritte erreichen den Alltag
In der Schweiz wurden die neuen Therapien schrittweise eingeführt. Erste Wirkstoffe wurden durch Swissmedic bereits 2016 auch zur Gewichtsreduktion zugelassen. Diese Wirkstoffe bewirkten eine durchschnittliche Gewichtsreduktionen von 15–20 % – eine Grössenordnung, die zuvor nur mit chirurgischen Eingriffen erreichbar war4. Zudem reduzieren sie das Risiko für Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder bestimmte Krebsarten erheblich3.
Seit kurzem übernimmt die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz unter strengen Voraussetzungen die Kosten für diese Therapien – ein Meilenstein in der Versorgung5.
Ein Blick in die Zukunft
Doch die Forschung ruht nicht. Neue Kombinationstherapien, etwa GLP-1/GIP-Dual-Agonisten, zeigen in Studien noch bessere Ergebnisse: Patient:innen verlieren bis zu 22 % ihres Körpergewichts6. Künftig könnte die sogenannte Präzisionsmedizin – basierend auf genetischen, metabolischen und individuellen Profilen – die Behandlungen noch gezielter und wirksamer machen3.
Innovationen wie oral verabreichte GLP-1-Therapien oder implantierbare Systeme zur kontinuierlichen Wirkstofffreisetzung sind bereits in Entwicklung.
Gesellschaftlicher Wandel durch medizinische Forschung
Was früher vor allem als persönliches Scheitern wahrgenommen wurde, erfährt heute eine neue Bewertung. Medizinische Fortschritte haben das Bild von Adipositas nachhaltig verändert: Weg vom Stigma, hin zu einer anerkannten chronischen Erkrankung, die behandelbar ist.
Für Millionen Betroffene bedeutet dies nicht nur bessere Gesundheit, sondern auch gesteigerte Lebensqualität und verbesserte gesellschaftliche Teilhabe. Gleichzeitig entlasten erfolgreiche Therapien langfristig auch die Gesundheitssysteme, indem sie Folgeerkrankungen und damit verbundene Kosten reduzieren1. Wir forschen weiter.
1 Bundesamt für Statistik (BFS). Körpergewicht und Gesundheit in der Schweiz. Neuchâtel, 2022.
2 Friedman JM, Halaas JL. Leptin and the regulation of body weight in mammals. Nature. 1998.
3 Müller TD et al. Obesity pharmacotherapy: what we have, what we need, and what’s next. Nat Rev Drug Discov. 2022.
4 Wilding JPH et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med. 2021.
5 Swissmedic. Fachinformation Saxenda® und Wegovy®.
6Jastreboff AM et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. N Engl J Med. 2022.
Adipositas
ist eine chronische Erkrankung, bei der sich übermässig viel Körperfett ansammelt. Sie entsteht durch ein Zusammenspiel genetischer, hormoneller und lebensstilbedingter Faktoren. Hormone wie Leptin, Ghrelin und GLP-1 spielen eine zentrale Rolle in der Steuerung von Hunger, Sättigung und Energieverbrauch.
In der Schweiz sind ungefähr 42 % der Erwachsenen übergewichtig oder adipös. Adipositas erhöht das Risiko für schwere Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz- Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten.
Die Behandlung erfolgt stufenweise: Neben Ernährung und Bewegung kommen bei Bedarf moderne Medikamente wie GLP-1-Analoga zum Einsatz. In schweren Fällen kann auch eine Operation erwogen werden. Neue Forschung fokussiert auf kombinierte Wirkstoffe und personalisierte Therapien, um langfristige Erfolge zu sichern.
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