Wir forschen weiter.

Migräne:
Wenn der Schmerz das Leben bestimmt – und was die Forschung heute dagegen tut
Migräne:
Wenn der Schmerz das Leben bestimmt – und was die Forschung heute dagegen tut

Migräne war über lange Zeit ein medizinisches Rätsel. Millionen Menschen litten – oft im Stillen, häufig unverstanden. Wer Migräne erlebt, weiss: Sie kommt oft plötzlich, mit voller Wucht. Der Tag beginnt normal – doch ein paar Stunden später hämmert und pocht es im Kopf. Was für Aussenstehende nach einem „starken Kopfschmerz“ klingt, ist für Betroffene eine ernsthafte neurologische Krise.

Ein Blick in die Vergangenheit – von Mythen zu Molekülen

Schon um 3000 v. Chr. beschrieben Schriften migräneartige Zustände. Im alten Europa hielt sich lange die Vorstellung, Migräne entstehe durch „aufsteigende Dünste“ im Gehirn. Im 17. Jahrhundert änderte sich das Denken langsam. Der britische Arzt Thomas Willis erkannte, dass Migräne wohl etwas mit den Blutgefässen zu tun hat – ein entscheidender Schritt hin zu modernen Therapieansätzen.

Eine Krankheit mit gravierenden Folgen

Heute ist unbestritten: Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit. In der Schweiz leiden rund eine Million Menschen darunter – etwa jede siebte bis zehnte Person. Frauen sind dabei dreimal häufiger betroffen als Männer1. Trotz dieser hohen Verbreitung blieb Migräne über Jahrzehnte hinweg ein wissenschaftlich vernachlässigtes Gebiet. Erst die moderne Forschung ermöglichte zentrale Fortschritte im Verständnis der Krankheitsursachen – mit positiven Folgen für die Behandlung und die Lebensqualität der Betroffenen.

Ein Migräneanfall ist kein „normaler“ Kopfschmerz. Er ist Ausdruck einer hochsensiblen Reizverarbeitung im Gehirn. Etwa ein Viertel der Patientinnen und Patienten erlebt zusätzlich eine sogenannte Aura – dabei kommt es zu Sehstörungen, Taubheitsgefühlen, Sprachproblemen oder Schwindel2. Diese Attacken können viele Stunden oder sogar Tage dauern und den Alltag vollständig lahmlegen. Allein in Europa entstehen durch Migräne jährlich wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, vor allem durch Arbeitsausfälle und Produktivitätsverluste3.

Neue Erkenntnisse durch moderne Forschung

Lange Zeit galt Migräne als rein gefässbedingte Störung – eine Sichtweise, die sich in den Standardtherapien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegelte. Entsprechend zielten frühere Medikamente vor allem auf die Verengung von Blutgefässen ab. Einen echten Durchbruch brachte jedoch erst die Entdeckung des sogenannten «trigeminovaskulären Systems» in den 1980er-Jahren. Forschende fanden heraus, dass ein Nervengeflecht im Gehirn in enger Wechselwirkung mit den Blutgefässen der Hirnhäute steht4.

Im Zentrum dieses Netzwerks steht ein Botenstoff. Dieser wird bei einem Migräneanfall freigesetzt und löst eine Entzündungsreaktion im Hirngewebe aus – ein zentraler Mechanismus, der heute als Hauptursache der typischen Schmerzen gilt5. Dieses neue Verständnis veränderte nicht nur die Forschung – es revolutionierte auch die Therapie.

Medikamente mit gezielter Wirkung

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnte erstmals eine medikamentöse Therapie entwickelt werden, die gezielt in die biologischen Abläufe der Migräne eingreift. In den 1990er-Jahren kamen die Triptane auf den Markt – sie hemmen die Freisetzung des Botenstoffs und verengen gleichzeitig die erweiterten Gefässe. Viele Patientinnen und Patienten profitierten von dieser neuen Medikamentengruppe. Dennoch zeigte sich, dass Triptane nicht für alle geeignet sind – insbesondere bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen Einschränkungen6.

Deshalb suchten Forschende nach alternativen Wirkungsmechanismen – und fanden die sogenannten Gepants. Diese blockieren Rezeptoren direkt und wirken entzündungshemmend, ohne die gefässverengende Komponente. Sie gelten als gut verträglich und eignen sich auch zur Vorbeugung7.

Einen weiteren Meilenstein markiert die Antikörpertherapie. Sie ermöglicht eine langfristige Reduktion der Anfallshäufigkeit – oft reicht eine Injektion pro Monat. In klinischen Studien zeigten sich signifikante Verbesserungen in der Lebensqualität von Betroffenen mit chronischer Migräne8.

Innovationen am Horizont – was die Zukunft bringt

Die Forschung zu Migräne steht nicht still. Inzwischen wird an personalisierten Therapieansätzen gearbeitet, die auf genetischen Merkmalen der einzelnen Patienten und Patientinnen abgestimmt sind. Ziel ist es, nicht nur besser zu behandeln, sondern passgenau zu therapieren9. Auch neuartige nichtmedikamentöse Ansätze befinden sich in Entwicklung. Dazu zählen beispielsweise Therapien, bei denen elektrische oder magnetische Impulse gezielt Hirnregionen beeinflussen, die an der Entstehung von Migräne beteiligt sind10.

Sogar die Farbe von Licht wird erforscht: Erste klinische Studien deuten darauf hin, dass grünes Licht bei einem Teil der Betroffenen die Intensität von Migräneschmerzen reduzieren kann11. Auch digitale Technologien halten Einzug in die Therapie – mit Migräne-Apps, die Attacken dokumentieren, Verlaufsmuster analysieren und damit helfen, individuelle Auslöser besser zu erkennen und Therapien anzupassen12.

Forschung verändert Leben

Die Geschichte der Migräne ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie medizinische Forschung zu echtem Fortschritt führt. Was über Jahrhunderte ein Rätsel war, wird heute verstanden – und wirksam behandelt. Millionen Menschen profitieren von gezielten, modernen Medikamenten, besseren Diagnoseverfahren und einem neuen medizinischen Verständnis der Erkrankung. Dieser Wandel ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Interpharma setzt sich dafür ein, dass dieser Weg weitergeht. Denn Fortschritt braucht wissenschaftliche Neugier und eine klare Vision: Migräne wirksam zu behandeln. Wir forschen weiter.

1 Bundesamt für Gesundheit (BAG). Kopfschmerz- und Migränestatistik Schweiz.
2 Ashina M. Migraine. New England Journal of Medicine. 2020;383(19):1866–76.
3 Lanteri-Minet M et al. Economic impact of migraine. Cephalalgia. 2011;31(8):867–79.
4 Goadsby PJ et al. Pathophysiology of migraine: a disorder of sensory processing. Physiological Reviews. 2017;97(2):553–622.
5 Edvinsson L. The CGRP pathway in migraine as a viable target for therapies. Headache. 2018;58(S1):33–47.
6 Tfelt-Hansen P, Olesen J. Taking the negative view of current migraine treatments. Headache. 2012;52(7):1159–65.
7 Dodick DW et al. Ubrogepant for the acute treatment of migraine. New England Journal of Medicine. 2019;381(23):2230–41.
8 Tepper S et al. Efficacy and safety of erenumab for preventive treatment of chronic migraine. Lancet Neurology. 2017;16(6):425–34.
9 Borsook D et al. Personalized medicine for migraine: an evolving landscape. Headache. 2021;61(5):725–35.
10 Chou DE et al. Noninvasive neuromodulation for migraine. JAMA Neurology. 2017;74(5):571–6.
11 Noseda R et al. A human fMRI study on green light and photophobia. Brain. 2016;139(Pt 7):1971–80.
12 Schwedt TJ et al. Use of smartphone technology in the management of migraine. Headache. 2019;59(6):802–16.

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